Rhein-Neckar-Zeitung, 03.09.2009
Das machte Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker in einem Vortrag deutlich – Die Bürgerstiftung Wiesloch hatte ihn eingeladen
Wiesloch. (seb) Der Verbrauch von Energie und Ressourcen müsse teurer werden. So werde Druck ausgeübt auf die Forschung hin zu größerer Effizienz, ob bei Gebäuden, Maschinen oder Kraftwerken. Und es sei Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen. Das war die Kernthese des Vortrages von Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker, der auf Einladung der Bürgerstiftung Wiesloch im Bürgersaal des Alten Rathauses sprach. „Politik der Nachhaltigkeit: Dabei denke ich an meine Enkel“ nannte er seinen Vortrag – „Nachhaltigkeit“ ist derzeit das Schwerpunktthema der Bürgerstiftung. Weizsäcker trat klar und pointiert für das Primat der Politik ein.
Ernst Ulrich von Weizsäcker ist Mitglied der SPD und war von 1998 bis 2005 Abgeordneter im Bundestag. Er ist ein renommierter Naturwissenschaftler (Physiker und Biologe), erhielt 2008 den Deutschen Umweltpreis und engagiert sich vor allem im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Wirtschaftsinteressen. Seine Ansichten erläuterte er lebendig und anschaulich, er zeigte Grafiken und auch mal Karikaturen. Der Bürgersaal war voll besetzt, einige Zuhörer saßen sogar auf den beiseitegerückten Tischen.
Den Begriff „Nachhaltigkeit“ erläuterte Weizsäcker, indem er darauf verwies, dass die Natur dem Wachstum von Wirtschaft und Gesellschaft Grenzen setze. Er skizzierte mögliche katastrophale Folgen des Klimawandels und unterstrich die Notwendigkeit, nicht nur schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen, sondern auch, die Umwelt möglichst wenig zu verschmutzen. Die Politik sei deswegen gefordert, weil die Wirtschaft trotz schwindender Rohstoffe von allein nicht zur Nachhaltigkeit finde, so Weizsäcker. „Der Markt teilt nicht von selbst mit, dass Wasser knapp wird.“ Der Uranpreis sei in den letzten Jahren um das zehnfache gestiegen, trotzdem werde vielfach geplant, weiter in die Atomtechnologie zu investieren. Vom Markt gehe kein Signal aus, das stark genug sei, um den nötigen Innovationsdruck zu erzeugen und ein Umdenken zu bewirken.
Vehement übte Ernst Ulrich vonWeizsäcker Kritik an jenen Faktoren, die seiner Ansicht die Politik daran hindern, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Mit der Wirtschaft und den Medien ging er hart ins Gericht. „Firmen erpressen den Staat“, sagte er, nämlich mit der Drohung, die Fertigung ins Ausland zu verlagern. Aus diesem Grund würden Unternehmenssteuern seit Jahren gesenkt, der Staat werde entmachtet. „Die Medienwelt hält die Politik gefangen“, so Weizsäcker. Unseriöse Berichte verteufelten notwendige Schritte, etwa im Umweltschutz. Auch der Druck der Lobbyisten schränke die Durchsetzungskraft des Staates ein. Aus Gründen der Klientelpolitik habe er, Weizsäcker, einen „politischen Kleinkrieg“ verloren: Als er sich dagegen aussprach, weiter in Kohlekraftwerke zu investieren, widersetzten sich ihm nicht nur Politiker anderer Parteien. Der Regierung seien bisher also nur populäre, aber wenig sachdienliche Aktionen geblieben. Doch nun, in der Krise, da die Wirtschaft sich „unsterblich blamiert“ habe, müsse sich die Politik die Macht zurückholen, forderte Weizsäcker.
Weizsäcker forderte ein Umdenken, weg von der „Arbeitsproduktivität“ und hin zur „Ressourcenproduktivität“: Bisherwerde Arbeit ständig weiter rationalisiert, etwa durch Einsatz von Maschinen, dadurch steige aber der Verbrauch von Energie und Rohstoffen, außerdem werde die Umwelt stärker belastet. Nun müsse dieses Verhalten in „sozial verträglichen kleinen Schritten“ verteuert werden, damit der Wandel zu einer nachhaltigen Lebensweise eingeleitet werden könne. „Wirtschaftlich lohnt es sich, den Effizienz-Schwerpunkt von Arbeit auf Ressourcen zu verlagern“.
Effizientere Technologien, etwa der Bereich der erneuerbaren Energien, seien ja nicht einfach nur nachhaltig, sondern zudem eine „Jobmaschine“. Effizienz allein reiche aber wahrscheinlich nicht aus, so Weizsäcker, die Menschen müssten, ihren Enkeln zuliebe, auch genügsamer leben: „So spart man Geld, indem man CO2 spart.“ Energie sei noch zu billig, lautet der Standpunkt des Referenten. Er machte deutlich, dass eine Kilowattstunde überraschend viel Kraft enthält – „und wir verpulvern sie“.
An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an. Zustimmung fand die
Wortmeldung, dass der Wettbewerb der Nationen angesichts derart gravierender
Probleme in eine weltweite Zusammenarbeit verwandelt werden sollte. Ernst Ulrich von Weizsäcker sieht eine „Chance auf eine Weltgemeinschaft der Klimaschützer“. Einig war man sich auch darüber, dass es weder Kraftwerke noch Maschinen seien, sondern die Natur, die von dieser Generation ihren Enkeln hinterlassen werde. Und es liege an den heute Lebenden, ob die Natur intakt sei. Zu Beginn hatte Annegret Sonnenberg, Vorsitzende der Bürgerstiftung, die zahlreichen Gäste begrüßt und um Unterstützung gebeten. Lars Castellucci, Vorsitzender des Stiftungsrates, hatte Ernst Ulrich von Weizsäcker vorgestellt und dessen „Mut machenden Optimismus“ gelobt.
Info:Weitere Informationen zur Bürgerstiftung Wiesloch auf der Homepage
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