Rhein-Neckar-Zeitung, 23.07.2007
Auf dem Wieslocher Marktplatz wurde von der Bürgerstiftung das „öffentliche Bücherregal“ eröffnet
Von Gertraude Zielbauer
Wiesloch. Die „Spielregeln“ sind denkbar einfach. Erstens: Nie das letzte Buch herausnehmen, ohne ein anderes hineinzustellen. Zweitens: Die Bücher nur in einer Reihe stellen, nicht hintereinander. So bleiben immer alle sichtbar. Und jedermann kann zu jeder Zeit Bücher in beliebiger Zahl hineinstellen oder herausnehmen. Kostenlos, versteht sich. Romane, Kinderbücher, Sachbücher und Ähnliches sind immer willkommen.
Wo es das alles gibt? Seit Samstag auf dem Wieslocher Marktplatz. Das „öffentliche Bücherregal“, ein Projekt der Bürgerstiftung Wiesloch, bietet Platz für rund 250 Bücher und wurde im Beisein zahlreicher Bürger offiziell seiner Bestimmung übergeben. Anne Jacobi, zusammen mit Ehemann Arndt die Ideengeberin und Organisatorin dieser neuen Wieslocher Attraktion, erzählt: „Begonnen hat alles mit Sperrmüll, den wir eines Tages vor dem Haus zur Abholung bereit stellten. Darunter war auch eine Kiste mit Büchern. Die hatten wir bewusst ein paar Tage vor dem Termin hingestellt, und kurz darauf waren unsere Bücher weg, aber dafür andere drin, die uns nicht gehörten. Später waren auch die weg, und da kam uns die Idee, diese Aktion ‚auf größere Füße’ zu stellen.“
Man nahm Kontakt zur Bürgerstiftung Wiesloch und zur Stadtverwaltung auf und fand überall offene Ohren: „Alles lief sehr unkompliziert ab. Wir mussten nur noch die Standortfrage klären, vor allem auch aus baurechtlichen und brandschutztechnischen Gründen. Die Stadt hat ein Drittel der Kosten des Projekts übernommen, mit dem Wiesloch einmal wieder in der Vorreiterrolle ist“, sagte Hauptamtsleiter Engelbert Keller als Vertreter der Stadt. Soweit bekannt, gibt es im Rhein-Neckar-Raum nämlich bislang keine ähnliche Einrichtung.
„Man trifft sich hier, man tauscht sich über die Bücher aus und so entsteht ein wunderbares soziales Miteinander.“ So sieht Rosemarie Stindl, Mitglied des Vorstands der Bürgerstiftung Wiesloch, die Zukunft des öffentlichen Bürgerregals. „Mit relativ wenig Aufwand wurde hier etwas zum Nutzen aller geschaffen.“ Michael Sieber, der Vorsitzende der Bürgerstiftung, war wegen eines anderen Termins bei der Eröffnung nicht anwesend, ließ aber seine Glückwünsche ausrichten, begleitet von einem Buch, das Rosemarie Stindl in seinem Namen ins Regal stellte.
Alle Redner wünschten dem neuen Projekt viel Erfolg und den Bedenkenträgern, dass sie bald eines Besseren belehrt werden. Anne Jacobi dazu: „Alle schönen Dinge sind mit einem Risiko behaftet. Mein Mann und ich werden auf jeden Fall in den nächsten Wochen immer wieder vorbeischauen und nach dem Rechten sehen. Aber dazu sind auch alle anderen Bürger eingeladen.“ Die größten Bedenken habe es natürlich wegen des Regens gegeben, fügte sie hinzu. Aber auch dafür hat man bei dem überdachten, etwa zwei auf zwei Meter großen Regal Sorge getragen: Es hat immerhin eine Tiefe von 60 Zentimetern. Und zudem heißt die Devise der Organisatoren: „Lieber feucht und gelesen, als trocken und ungelesen!“