Beim Neujahrsempfang der Stadt Wiesloch wurde die Bürgerstiftung Wiesloch vorgestellt.
„Funding is fun“– Stiften macht Spaß
(isa). So platt ist sie natürlich nicht, die Aussage, die hinter der Gründung der Bürgerstiftung Wiesloch steht. Mehr geht es auch um eine Aussage, die Christian Morgenstern einmal gemacht hat: „Je mehr du für das Allgemeine getan haben wirst, desto mehr hast du für dich selbst getan.“ Und so sind auch einige spontane Aktionen zu erklären. Am Ende des fast zweieinhalbstündigen Neujahrsempfangs, ruft der Mitinitiator der Bürgerstiftung Lars Castellucci die anwesenden Gründungsstifter und Mitinitiatoren, das Team, das sich um den Start der Bürgerstiftung gekümmert hat, auf die Bühne. Mit nach oben gehen aber auch Bürger, die sich spontan zur Mitarbeit und zum „Mitstiften“ entschlossen haben. Die daran Teil nehmen wollen, an dieser außergewöhnlichen Idee der Bürgerstiftung, die mitarbeiten wollen oder als Geldgeber fungieren wollen.
Im Saal herrschte eine ganz besondere, eine knisternde Aufbruchstimmung. Die Blicke, die Gesichter der Anwesenden waren offen und gespannt. Das merkte man aber auch in den Gesprächen nach dem offiziellen Teil. „Da geht noch was“ schienen sich die Menschen zu sagen. Da wurde über neue Projekte diskutiert, herausragende Formen von bürgerschaftlichem Engagement besprochen und bereits an Ideen gesponnen, was mit dem Geld bewegt werden kann, das aus der Bürgerstiftung hervorgehen wird. Dieser Enthusiasmus lag zum einen bestimmt am auffordernden und Mut machenden Vortrag von Prof. Dr. Christian Pfeiffer. Der Referent hatte in seiner ausführlichen, interessanten Rede die Ideen und die Möglichkeiten einer Bürgerstiftung vorgestellt. Zum anderen sahen die Bürger auch, dass genau diese Ideen bürgerschaftlichen Engagements in einer Bürgerstiftung etwas Außergewöhnliches sind und neues Handlungspotential und Projektideen für Wiesloch bereithalten kann.
„Heute haben wir alle Mitbürgerinnen und Mitbürger eingeladen, weil das Thema, das heute im Vordergrund steht, alle angeht“, in seiner Neujahrsansprache ging Oberbürgermeister Franz Schaidhammer auf die aktuellen und zukünftigen Probleme, besonders aber auch auf die Chancen und Möglichkeiten ein, die auf Wiesloch und seine Bürgerinnen und Bürger in den nächsten Monaten und in naher Zukunft zukommen. Der Neujahrsempfang stelle seiner Meinung nach eine ideale Gelegenheit dar, einen Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern und den Vertretern aus Politik, Kirche, Verwaltung, Vereinen und des öffentlichen Lebens allgemein zu ermöglichen. Viele Menschen waren seiner Einladung zu diesem „Gesprächsangebot“ gefolgt. Dennoch hätte man sich als Beobachter noch mehr „stille“ Bürger gewünscht, die der Einladung gefolgt wären. Denn zum größten Teil waren wieder die anwesend, die sich sowieso schon um die Belange der Stadt kümmern, die Verantwortung übernehmen und sozusagen an „vorderster Front“ kämpfen. Keine Falschinterpretation an dieser Stelle, genau dieses Engagement brauchen wir natürlich in der Bürgerschaft. Doch gebraucht werden in Zukunft auch die Menschen, die sich noch zurückhalten, Scheu haben sich zu sehr aus der Masse abzuheben. Genau an diesen liegt es aber, Farbe zu bekennen, sich für die gemeinsame Sache zu interessieren und mit Engagement für ihre Stadt Wiesloch ein zu stehen.
Wieslocher Situation
OB Franz Schaidhammer spannte in seiner Rede einen Bogen von den großen Ereignissen die Deutschland und die Welt im vergangenen Jahr bewegten und über die Veränderungen, die Wiesloch und die Region direkt betrafen. Er griff Stichworte wie die Ernennung des Rhein-Neckar-Dreiecks zur Metropolregion genauso auf wie die Klausurtagung des Mittelzentrums Wiesloch-Walldorf zur weiteren Zusammenarbeit. Städtebauliche Veränderungen wie die Umgestaltung des Bahnhofs und der eventuelle Bau eines Bundesligastadions auf hiesiger Gemarkung machen das Mittelzentrum zu einem interessanten Investitionsplatz und Weiterentwicklungsstandort. Der geplante Bau einer Mensa für das Schulzentrum, die angeschafften Container für das Gymnasium und der für dieses Jahr fertig zu stellende Bau des Kindergartens in Altwiesloch machen Mut zu weiteren Maßnahmen, die trotz der Finanznot der öffentlichen Hand bewerkstelligt werden müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. Die Baumaßnahmen wirken sich aber auch auf die Erschließung neuer Wohngebiete aus und auf die vermehrte Bautätigkeit in den Ortskernen. Das spiegelt auch die gute Arbeitsplatzsituation in Wiesloch wider, die allerdings vorwiegend Akademiker und Menschen mit besonders hoher Qualifizierung zu Gute kommt. Leider erreichte auch die Arbeitslosigkeit einen Höchststand. Die schlechte Haushaltslage der Stadt können die Menschen nur annähernd spüren, „weil wir einerseits von unseren Reserven leben“, so OB Schaidhammer, andererseits aber auch Lücken „mehr und mehr durch Eigeninitiative und bürgerliches Engagement geschlossen“ werden können.
Lücken schließen
Und genau darum geht es auch bei der Bürgerstiftung, darum, Lücken im System der Stadt zu schließen, die die Verwaltung nicht mehr alleine füllen kann. „Eine Stiftung kann nicht der Kuchen sein, sondern eine Stiftung ist die Sahne, die den Kuchen schmückt“, so Referent Prof. Dr. Christian Pfeiffer. Es gehe darum, Projekte in verschiedenen Bereichen zu verwirklichen, Kunst, Soziales, Ökologie, die Themen sind breit gefächert und unbeschränkt. Auch eine Aufgabe des Stiftungsrates und des Kuratoriums muss es dann sein, die gerade wichtigen und benötigten auszuwählen. Pfeiffer war der Erste, der die Idee einer Bürgerstiftung nach Deutschland holte, den Gedanken aus England und den Vereinigten Staaten, wo Bürgerstiftungen schon eine längere Tradition haben, in Hannover einführte. Die Idee entstand in Hannover im Wohnzimmer von Christian Pfeiffer und wurde ausgehend von dieser kleinen Runde Menschen, exponentiell größer. Was mit einer Gründungssumme von 1.000 Euro pro Person begann, steigerte sich zu einem Vermögen in Millionenhöhe. Mit den Zinsen aus diesem Geldwert lassen sich nun in Hannover ganz unterschiedliche Projekte verwirklichen, für die die öffentliche Hand sonst kein Geld gehabt hätte.
80 Bürgerstiftungen gebe es nun schon in Deutschland, 5.000 Menschen engagieren sich aktiv in diesen und tragen den Gedanken immer weiter. Und dass es Spaß und Erfüllung bringt, sich in diesen Stiftungen zu engagieren, konnte Pfeiffer mit vielfältigen Beispielen belegen. „Funding is fun“, so die Grundidee, die dahinter steht. Es macht Spaß, mit einer Gabe, einer Spende anderen zu helfen und ihnen Chancen und Möglichkeiten zu bieten, die sie sonst nicht hätten.
Doch gelte es auch einige Grundregeln zu beachten. Transparenz müsse unbedingt darüber herrschen, woher die Gelder kommen, wohin sie fließen. Wichtig ist auch, den Stiftern, den Geldgebern und den Engagierten Wertschätzung entgegenzubringen, die „Stifter zu feiern“ sei eine wichtige Grundlage für den Erfolg der Stiftung.
Die Bürgerstiftung Wiesloch bewegt die Stadt
Dr. Brigitta Martens- Aly, Dr. Reinhold Miller und Lars Castellucci aus dem Initiativkreis stellten die Stiftung und deren Aufgaben vor. In der Satzung heißt es: „Die Bürgerstiftung Wiesloch ist eine gemeinnützige, überkonfessionelle und überparteiliche Einrichtung von Bürgerinnen und Bürgern für die Menschen in Wiesloch. Ihre Aufgabe ist es, bürgerschaftliches Engagement auszulösen und zu unterstützen. Die Stiftung dient dem Gemeinwohl, stärkt den sozialen Zusammenhalt, fördert Chancengleichheit und das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge. Das Wirken der Stiftung orientiert sich am Leitbild der Nachhaltigkeit, also in einer in sozialer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht zukunftsfähigen Entwicklung. Die Stiftung ermöglicht und fördert das Einbringen materieller und immaterieller Beiträge der Wieslocher Bürgerschaft in den Prozess einer gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Stadtentwicklung.“ Die Bürgerstiftung soll nicht als Konkurrenz zu bereits bestehenden Einrichtungen gesehen werden, sondern möchte langfristig dazu beitragen, in Wiesloch und bei seinen Bürgern etwas zu bewirken. „Ich bin mir sicher, dass es in Wiesloch genügend Bürger gibt, die gerne einen kleinen Teil ihres Vermögens abgeben möchten, wenn sie wissen, wie sinnvoll damit umgegangen wird“, so Castellucci. Bereits jetzt haben sich über ein Dutzend Gründungsstifter gefunden, die mit jeweils 1000 EUR der Stiftung auf die Beine helfen wollen.
Mit dem Geld gilt es Projekte zu fördern, die dreierlei Anspruch erfüllen können: Zum einen will die Stiftung eigene Projekte zum Laufen bringen. Es geht aber zum zweiten auch darum, Projekte dritter zu unterstützen. Bestehendes weiter zu tragen und Vorgeschlagenes zu ermöglichen. Außerdem will die Stiftung direkte Hilfe für in Not geratene Menschen leisten. Was am Ende auf die Beine gestellt wird, entscheiden die Stifterinnen und Stifter in gemeinsamen Absprachen und Diskussionen.
Wer weitere Informationen zur neuen Bürgerstiftung Wiesloch haben möchte, der kann sich an Erste Bürgermeisterin Ursula Hänsch, Tel.-Nr. 06222 84229, wenden. Auch können schon kleine bis größere Spendenbeträge auf das Konto überwiesen werden: Sparkasse Heidelberg, BLZ 672 500 20, Kto.-Nr. 50 007 235 oder bei der Volksbank Wiesloch, BLZ 672 922 00, Kto.-Nr. 33 707.
Alle Gründungsstifter, die sich bereits jetzt für eine Mitarbeit entschieden haben, sind eingeladen zu einem ersten Treffen am 16. Februar um 19 Uhr im Bürgersaal des Alten Rathauses.