Wer nicht muss, der kann
Und wer etwas kann, der macht es gern und gut
Das war eine der Grundaussagen von Professor Götz Werner, der am 19.01.2011 auf Einladung der Bürgerstiftung Wiesloch einen Vortrag zum Bedingungslosen Grundeinkommen hielt. Er erklärte den über 220 Zuhörern in kurzweiligem Plauderton, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden eben nicht zu Lethargie und Chaos führt, sondern ganz im Gegenteil eine Gesellschaft nachhaltig macht. In solch einer Gesellschaft gäbe es keine Menschen, die am Rande des Existenzminimums lebten, obwohl sie wichtige und sinnvolle Arbeit leisten. Es gäbe keine Armut, keine Kinderarmut, keine Altersarmut. Es gäbe jedoch viele Menschen, die sich die Freiheit nehmen könnten, die Dinge zu tun, die sie wirklich interessieren.
Professor Werner weiß seine Zuhörer in Bann zu schlagen, erzählt er doch immer mit anschaulichen Beispielen aus seinem reichen Erfahrungsschatz. Er ist Gründer, Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglied der Drogeriemarktkette dm und leitet seit 2003 das Interfakultative Institut für Entrepreneurship (IEP) der Universität Karlsruhe. Er ist bekennender Antroposoph und hat dm danach ausgerichtet. Zum 10. Mal in Folge ist dm 2010 beliebtester überregionaler Drogeriemarkt Deutschlands und beliebtester Händler. Die dm-Eigenmarke alverde Naturkosmetik ist eine der nachhaltigsten Marken Deutschlands.
Laut Prof. Werner liegt in der Natur des Menschen, dass er etwas bewirken will. Was können wir also tun, damit sich die Menschen in die Gesellschaft einbringen? Oder in ein Unternehmen? Je mehr wir einbringen, desto lebenswerter wird das Leben. Wir leben von der Leistung anderer Menschen.
Früher brauchte man Land zum Leben, die Produzenten waren weitgehend ihre eigenen Konsumenten. Heute besteht eine Entkoppelung in Versorger und Versorgte. Heute gilt: wer sein Einkommen nicht zum Konsumieren ausgibt, hat nichts zu essen. Aber man braucht erst einmal ein Einkommen. Folglich es muss also ein Recht auf Einkommen geben, nicht ein Recht auf Arbeit. Die Koppelung von Arbeit und Einkommen ist, so Prof. Werner, falsch und ein Problem unserer Gesellschaft: noch nie war sie so reich wie heute, alles ist jederzeit verfügbar, und trotzdem gibt es enorm viel Armut.
Wie können wir eine Gesellschaft für unsere Enkel gestalten, in der der Mensch zum Menschen wird und nicht über seine Arbeit definiert ist?
Einkommen ist die Ermöglichung, etwas zu tun; es ist nicht die Abrechnung dessen, was man getan hat. (Beispiel von Prof. Werner: Die Zahncreme, die ich aus dem Regal nehme, ist schon bezahlt – durch den Lohn, den der Arbeiter dafür bekam. Wenn ich die Zahncreme an der Kasse bezahle, dann löse ich einen Bestellimpuls aus und veranlasse somit, dass jemand wieder Arbeit bekommt.)
Arbeit braucht man, um sich zu entwickeln. Das ist jedoch die Arbeit, die man tun will. Freiheit bedeutet also (nach Rousseau): nicht tun müssen, was man soll, sondern tun können, was man will. Freiheit ist also die Möglichkeit, nein sagen zu können.
Dazu braucht man ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist in diesem Hinblick anstrengend, denn es ermöglicht jedem einzelnen, das zu tun, was er will: „Wenn ich wollte, dann könnte ich ja.“ Aber es gibt dem Menschen die Würde, die ihm durch Artikel 1 des Grundgesetzes garantiert wird. Demgegenüber ist Hartz IV ein bedingtes Grundeinkommen, das die Würde des Menschen verachted. Wie Prof. Werner sagte: „Du kriegst ein bedingungsloses Grundeinkommen. Jetzt zeig mal, was du kannst.“
Wenn jemand fragt, wer die „Drecksarbeit“ dann mache, muss die Antwort sein: „Sie selbst! Denn Sie haben ja offensichtlich ein Bedürfnis danach.“ Wer also möchte, dass eine bestimmte Leistung erbracht wird, muss entweder einen attraktiven Arbeitsplatz dafür schaffen oder die Tätigkeit automatisieren oder es selbst machen und sozusagen zum Selbstversorger werden. Den Sinn und dadurch die Wertschätzung der Tätigkeit, die geleistet wird, findet man beim Konsumenten. Die „Drecksarbeit“ wird also sehr schnell zum wichtigen oder gar notwendigen Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Prof. Werner ist überzeugt davon, dass wir so zu einer Gesellschaft kommen, in der jeder das machen kann und macht, was er will und gut kann und dann auch gern macht. Voraussetzung dafür ist nach Ansicht Prof. Werners ein Perspektivenwechsel: „Dadurch wird die Welt nicht anders, aber sie sieht anders aus.“
Der Abend lieferte keine fertigen Antworten, aber eine Fülle von Fragen und Hausaufgaben, getreu Prof. Werners Motto: Mit Fragen gestaltet man die Zukunft, denn wer eine Frage stellt, hat auch schon eine Idee, sonst würde er die Frage ja nicht stellen. Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.
Prof. Werners Schlussworte waren ganz im Sinne der Bürgerstiftung Wiesloch: Beharrlich im Bemühen, bescheiden in der Erfolgserwartung – das ist die Methode der Nachhaltigkeit.
Weitere Informationen zum Grundeinkommen hier