„Die ‚Wieslocher Migrationsgeschichte/n‘ tragen in besonderer Weise dazu bei herauszufinden, wie wir gemeinsam zum Gelingen eines guten Zusammenlebens in unserer Stadt beitragen können.“ So fasste BM Ludwig Sauer die Auftaktveranstaltung zusammen.
Zuvor waren im zentralen Teil der Veranstaltung 22 Wieslocher Bürgerinnen und Bürger auf der Bühne und hatten genau das sehr authentisch dargestellt.
Es waren Menschen, die selbst nach Wiesloch „eingewandert“ sind bzw. aus einer Familie von Einwanderern stammen; sie kamen der Liebe wegen oder weil der Vater hier von HDM angeworben wurde, weil sie vertrieben wurden oder weil sie vor Krieg oder Verfolgung fliehen mussten. Sie haben familiäre Wurzeln im Osten, in der Türkei, im Kosovo, in Brasilien, Griechenland, Ungarn oder Indien. Viele der 22 Zeitzeugen sind uns in Wiesloch in ganz anderen Zusammenhängen bekannt, z.B. Gisela Schulz oder Jindro Stehlik, und bei etlichen hätte man den Migrationshintergrund nicht vermutet. Ihre Geschichten machen betroffen, lassen aber auch viel Mut schöpfen. „Wir sollten nicht auf Teufel komm raus integrieren, wir sollten einfach zusammen leben!“ war da zu hören, und „Ich bin mit der Familie aus der Hölle ins Paradies Wiesloch gekommen. Danke, Wiesloch.“ Sie alle haben das Leben in unserer Stadt bereichert; sie sind lebende Beispiele, dass Integration gelingen kann, wenn man aufeinander zugeht.
Die Migrationsgeschichten unserer Mitmenschen, die Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten helfen, die alten Fehler nicht wieder zu machen und die positiven Ansätze zu verstärken. Diese Veranstaltungsreihe bietet den nötigen Raum, dass sich diejenigen austauschen können, die dazu etwas zu sagen haben. Ziel der Reihe ist es – um es mit den Worten eines Podiumteilnehmers zu sagen – hier „nette Leute zu finden, die mir eine neue Heimat gaben.“
Die Auftaktveranstaltung am 2. Oktober leitete die Reihe aus Diskussionen, Filmen, Workshops u.ä. ein und gab in vier Vorträgen einen Überblick über die Zuwanderung der letzten 70 Jahre.
Birgit Hofmann, Universität Heidelberg, machte deutlich, dass Migration gesellschaftlichen und politischen Wandel im Herkunfts- und im Zielland bedeutet, sowohl im positiven (Beispiel Pizza und Döner) als auch im negativen Sinn (Beispiel Brain Drain). Das Zitat von Hannah Arendt „Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein.“ wurde von Anna Leszczynska-Koenen aufgenommen. Die Psychoanalytikerin aus Frankfurt mit polnischen Wurzeln zeigte aus dem psychologischen Blickwinkel, dass ein Bruch der Lebenskontinuität immer zu Schmerz führt. Solch ein Bruch könne schon der Umzug in ein neues Viertel, eine neue Stadt sein. Wieviel größer sei also der Bruch, wenn man ohne lange Vorbereitungszeit in ein ganz anderes Land käme. Heimat sei dort, wo man sich nicht erklären müsse. Roland Paul, Institut für pfälzische Geschichte Kaiserslautern, und Dietrich Kronemayer, Heimatforscher, gingen in ihren Vorträgen an konkreten Beispielen aus der Kurpfalz darauf ein, dass wir hier schon immer ein Einwanderungs- aber auch ein Auswanderungsland waren.
Der sehr lange Nachmittag verlangte den Zuhörern einiges ab, zumal die einzelnen Vorträge doch recht theoretisch waren. Die Zeitzeugenberichte und das kurze Abschlusspodium kamen deshalb in ihrer Direktheit und Bodenständigkeit besonders gut an. Ebenso die längere Pause, bei der die Anwesenden mit den Zeitzeugen und Referenten in lockerem Rahmen ins Gespräch kamen. Wir danken Wimmers Landwirtschaft, die in der Pause mit kleinen Snacks und unentgeltlich für das leibliche Wohl sorgte.