Rhein-Neckar-Zeitung, 24.01.2011
Götz Werner will die Gesellschaft neu erfinden – In Wiesloch warb der dm-Gründer für seine Idee des bedingungslosen Grundeinkommens
Von Fabian Santner
Wiesloch. Grundeinkommen, Geld für jeden, ohne dafür arbeiten zu müssen? Das ist vielleicht das, was man so nebenbei aus den Medien mitbekommen hat von Götz Werner und seiner Idee. Und natürlich drängen sich dann Fragen auf. Wer soll das bezahlen? Würde überhaupt noch irgendjemand arbeiten? Sein Auftritt im Kulturhaus Wiesloch fand im Rahmen einer Vortragsreihe der Bürgerstiftung Wiesloch zum Thema „Nachhaltigkeit“ statt und bestach vor allem durch die gewinnende Art des erfolgreichen Unternehmers und Gründers der dm-Drogeriekette, ließ aber auch Fragen offen, was ganz in der Absicht des Erfinders lag, der nicht nur Ideen, sondern auch pädagogisches Geschick vorweisen kann.
Götz Werner hat sieben Kinder, die alle die Waldorf-Schule besuchen oder besucht haben, kommt aus der Mitte der Gesellschaft, und obwohl sein Werdegang, seine Familie und die Arbeit für sein Unternehmen unglaublich viel Zeit verschlungen haben müssen, hat er offensichtlich nie aufgehört, nachzudenken und die Welt um sich herum mit offenen Augen zu betrachten. All diese Dinge schwangen bei seinem Vortrag mit und sorgten, neben seinen kleinen Scherzen und der Selbstironie, für eine sehr lockere, entspannte Atmosphäre. Seine Erfahrung als Professor des „Instituts für Entrepreneurship“ am Karlsruher Institut für Technologie mag hierzu vielleicht beigetragen haben.
„Wer nicht muss, der kann“, begann GötzWerner seinen Vortrag. Dann machte er eine Pause, andächtig wie ein Pfarrer in der Kirche ließ er die Worte wirken. „Wenn man etwas tut, weil man will, ist das etwas anderes, als wenn man etwas tut, weil man muss.“ Von dieser Annahme ausgehend, baute Werner sein Gedankengebäude auf, welches natürlich geprägt ist von seiner subjektiven Sicht als Unternehmer. Aber das blieb nicht lange so. „Jeder Mensch ist ein Unternehmer, ein Unternehmer seines eigenen Lebens.“ Damit half er den Zuschauern, die jeden verfügbaren Stuhl im Kulturhaus besetzt hatten und teilweise stehen mussten, die Perspektive zu ändern. Und das war eigentlich schon das ganze Geheimnis. Ein Perspektivenwechsel, ein Paradigmenwechsel.
Laut Werner leben wir vor allem von der Leistung anderer Menschen. „Die ganze Welt leistet für uns.“ In Europa habe sich die Selbstversorgergesellschaft, bei der jeder Bauer erst einmal seine eigenen Bedürfnisse stillte und die Überschüsse dann zum Markt brachte, seit Ende des 19. Jahrhunderts in einer Fremdversorgungsgesellschaft verwandelt. Mit kleinen Schritten ging er dann seine Argumentationskette durch, stellte bewusst die Fragen ins Publikum „ist das verständlich“ oder „stimmen sie mir da zu“ und von den Gästen kam zustimmendes Nicken und schüchternes Bejahen, was sich nach und nach zu wahren Wellen der Erkenntnis auswuchs – und die Leute, wie befreit, begannen, den Ausflug aus dem Alltag zu genießen.
Warum leisten wir uns Armut?
Kernpunkt seiner Argumente ist eine Neudefinition, die ohne die sorgfältige, ja feinfühlige Vorbereitung, wie sie Götz Werner bei seinem Vortrag leistete, vielleicht nicht so einfach verständlich wäre. Aus dem Recht auf Arbeit wird ein Recht auf Einkommen. Auch ist das Einkommen nicht mehr eine Folge der Arbeit, sondern bedingt die Arbeit. „Ich kann ja niemanden einstellen ohne Gehaltsverhandlung“, so die einfache, aber dennoch schlüssige Begründung. Dann zitierte er einen Spruch von einem Wahlplakat. „Arbeit sichern“, habe da gestanden. „Das ist ein Denkirrtum. Erstmal sichert man Arbeit nicht. Jeder hier weiß ja, Arbeit muss erledigt werden. Aber der Spruch auf dem Plakat meint eigentlich, Einkommen sichern.“
Das Grundeinkommen ist für ihn keine Sozialhilfe. Hartz IV verletze die Menschenwürde und verstoße damit schon gegen den ersten Artikel der Verfassung. „Warum leisten wir uns das“, fragt er in die Runde. „Warum leisten wir uns Armut, gerade Kinderarmut, wo wir doch nie reicher waren als heute?“
Götz Werner will nicht mehr und nicht weniger als die Gesellschaft neu erfinden. Dabei stellt er aber, ganz Unternehmer, höchste Ansprüche an Motivation und Integration aller an ihr Beteiligten. Seine Idee von einem Grundeinkommen ist daher als alleinstehender Gedanke absolut irreführend. „Die Dinge haben sich verändert“, warnt er. Und die Veränderung, die dieser Entwicklung folgt, müsse aus der Gesellschaft kommen. „Der Bürger ist der Souverän“, betont er und das erklärt auch seine unermüdliche Arbeit an der Basis, durch seine Vorträge und seine Bücher. „Einkommen ermöglicht Arbeit, Einkommen braucht man zum Leben, Arbeit um sich zu entwickeln.“
Info: Bücher von GötzWerner: Einkommen für alle, 240 Seiten, Bastei-Verlag, 2010; 1000 Euro für jeden. Frei
heit, Gleichheit, Grundeinkommen, 265 Seiten, Econ-Verlag, 2010.