Nachhaltigkeit als Lebenskunst

Bürgermeisterin Gerda Stuchlik referierte über die Freiburger Umweltschutzaktivitäten

Rhein-Neckar-Zeitung, 19./20.11.2011
Wiesloch. (hds) Sie berichtete über Klimaschutzaktivitäten auf kommunaler Ebene und ließ bei so manchem Besucher im Bürgersaal des Alten Rathauses in der Weinstadt Neidgefühle aufkommen: Gerda Stuchlik, Bürgermeisterin der Stadt Freiburg und zuständig für die Ressorts Umwelt, Jugend sowie Schule und Bildung, war zu einem Vortrag nach Wiesloch gekommen. Die Metropole im Breisgau war im Vorjahr mit dem Titel „Bundeshauptstadt im Klimaschutz“ ausgezeichnet worden und so gab es einen informativen und kurzweiligen Rundumschlag in Sachen Nachhaltigkeit für die erfreulich vielen Besucher.

RNZ Vortrag Frau StuchlikAuf Einladung von OB Franz Schaid­hammer und der Bürgerstiftung Wies­loch, die mit dem Besuch von Gerda Stuchlik ihre seit nunmehr fast zwei Jahren laufende Vortragsreihe zu unter­schiedlichsten Themen der Nach­haltigkeit fortsetzte, gab es Wissens­wertes aus Freiburg zu hören. Die grüne Politikerin, seit 14 Jahren in Amt und Würde, verwies in ihren Aus­führungen auf die Sensibilisierung zu Umweltthemen bei der Freiburger Bevölkerung. „Seit einem erfolgreichen Veto gegen ein damals geplantes Atomkraftwerk in der Nähe des Kaiser­stuhls sind umweltrelevante Themen bei uns in der Region ein Dauerbrenner“, erläuterte Stuchlik die Basis für das engagierte Verhalten der Bevölkerung. Es sei daher ein eher leichtes Arbeiten, Grundsatzbeschlüsse zu Themen der Nach­haltigkeit würden mit großer Mehrheit in den städtischen Gremien getroffen. Das große Ziel, bis 2030 Energieaufkommen und Verkehr um bis zu 40 Prozent zu reduzieren, habe man fest im Visier.

Die Vorgaben dazu sind eher sportlich: So wollen die Freiburger beim Energiee­insparen ein Drittel mehr, als die Bundesvorgaben vorsehen, mit innovativen Maßnahmen umsetzen. Sie nannte als Beispiel, dass künftig nur noch Passivhäuser gebaut werden dürfen, jene Gebäude und Wohnungen also, die deutlich weniger Energie benötigen als bei herkömmlicher Bauweise. Architekten und Handwerker – und auch die Bürger – mussten nicht nur überzeugt, sondern zudem geschult und ausgebildet werden. „Dies ist zwischenzeitlich, und zwar innerhalb von nur zwei Jahren, geschehen“, meine Stuchlik stolz. Aber auch altem Baubestand geht es an den Kragen.

„Dickes Fell für das Haus“
Mit dem Programm „Verpassen Sie Ihrem Haus ein dickes Fell“ stehen jährlich 450 000 Euro für entsprechende Sanierungsaktivitäten zur Verfügung. Mit den seit einigen Jahren laufenden Zuschüssen konnten nach Worten Stuchliks inzwischen 23 Millionen Euro an Investitionen möglich gemacht werden. Damit hat man eine höhere Sanierungsrate als bei anderen vergleichbaren Kommunen erzielt.

Nicht ausgenommen sind dabei auch die öffentlichen Gebäude und da hat man, so Stuchlik, in Freiburg noch Nachholbedarf. Anreize werden geschaffen, um Pläne auch schnell und kreativ umzusetzen. So nannte Gerda Stuchlik in diesem Zusammenhang das Programm „Fifty-Fifty“: Zielgruppen sind hier Schüler, Lehrer und Hausmeister an allen Freiburger Schulen. Eigenes Engagement in Sachen Energieeinsparung schlägt sich in klingender Münze nieder. Schüler und
Schulen erhalten die Hälfte der eingesparten Gelder zur freien Verfügung. Die Kooperation mit dem regionalen Energieversorger – Freiburg ist daran beteiligt – führte dazu, dass man seit 2008 bereits atomstromfrei ist. Auf der Agenda stehen zudem Events und PR-Maßnahmen, um die Bevölkerung noch intensiver einzubinden. „Nachhaltigkeit als Lebenskunst“, ein seit Mai dieses Jahres laufendes Projekt, bindet derzeit zu unterschiedlichen Themen rund 200 Freiburger Familien ein. Das Besondere daran ist, dass dies in Kooperation mit der französischen Partnerstadt Besançon geschieht. Außerdem wird das Projekt auf mehrere Füße gestellt, arbeiten doch auch die kirchlichen Institutionen daran mit.

Auch vor Hochhäusern schrecken die Freiburger bei der Umwandlung zum Passivhaus nicht zurück. „Das erste Hochhaus haben wir jetzt umgewandelt“, umriss Stuchlik die Strategie. Die schlägt sich auch in der Arbeitswelt nieder. Etwa 12 000 Beschäftigte in der Region arbeiten direkt und indirekt in Unternehmen, die sich des Themas Nachhaltigkeit annehmen. So ist Europas größtes Solar­forschungs­institut mit mehr als 1000 Mitarbeitern in Freiburg angesiedelt.

Naturgemäß, und dies räumte Gerda Stuchlik auch ein, ist die Umsetzung aller Pläne an die jeweiligen Finanzmöglichkeiten gekoppelt. „Und die schwanken eben mal von Jahr zu Jahr“, meinte die Bürgermeisterin. Oberbürgermeister Franz Schaidhammer konnte ob dieser dennoch tollen Voraussetzungen nur neidvoll zuhören – die Möglichkeiten Freiburgs sind eben nicht auf Wiesloch zu übertragen.

Erfreuliches am Rande: Um sich für den laufenden Wettbewerb „Klimaschutz macht Schule“ der Bürgerstiftung Wiesloch Anregungen und Ideen zu holen, waren auch Lehrer und Schüler im Auditorium. Vielleicht kommt so ein wenig Freiburg auch im nächsten Jahr nach Wiesloch …

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