Rhein-Neckar-Zeitung, 19.04.2007
Der Wieslocher Tafelladen wurde in der Friedrichstraße eröffnet – Lebensmittel für Bedürftige
Wiesloch. (aot) „Teile dein Brot und es wird kleiner, teile dein Dach und es bleibt gleich, teile deine Freude und sie wird größer.“ Dieses chinesische Sprichwort gab Pfarrer Berthold Enz dem „Wieslocher Tafelladen“ bei der offiziellen Eröffnung mit auf den Weg.
Das Sprichwort ist sicherlich als Leitidee für die ehrenamtlichen Helfer geeignet, die in Zukunft Empfängern von Arbeitslosengeld II Lebensmittel zu Minipreisen zwischen fünf und 50 Cent ausgeben. Der „Wieslocher Tafelladen“ ist zentral in der Friedrichstraße gelegen und leicht zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Gleichzeitig liegt er so, dass er diskret betreten werden kann. Die Besucher sollen sich im Laden wohlfühlen und nicht als Bittsteller kommen, deshalb werden die Waren verkauft und nicht verschenkt.
Tag für Tag werden in Deutschland Tonnen von Lebensmitteln vernichtet: Obst und Gemüse mit kleinen Schönheitsfehlern, Brot und Backwaren, die am Herstellungstag nicht verkauft wurden, Lebensmittel aus Supermärkten, die kurz vor dem Ablauf des Haltbarkeitsdatums stehen.
Es kann nicht sein, dass Mengen von Lebensmitteln weggeworfen werden, während viele Menschen unter schwierigen Bedingungen leben, sagte sich Sonja Huth und rief vor vier Monaten den Verein „Wieslocher Tafel“ ins Leben. Sonja Huth, inzwischen zur ersten Vorsitzenden gewählt, führte in ihrer Begrüßungsrede aus, dass in Wiesloch ein Laden entstehen sollte, in dem sich Bedürftige mit Lebensmitteln eindecken können.
Die Idee wurde schon in den 60er Jahren in den USA geboren. Aber erst 1994 wurden die ersten vier Tafeln in Deutschland gegründet. Inzwischen ist die Zahl auf 700 angewachsen, darunter eine in unserer unmittelbaren Umgebung, in Sinsheim.
Von dort erhielt man auch Anregungen und Unterstützung. Als Sonja Huth mit ihrer Idee an die Öffentlichkeit ging,war sie von der positiven Resonanz mehr als überrascht.
Die ebenfalls junge Bürgerstiftung Wiesloch sorgte für die notwendige Anschubfinanzierung. Handwerker renovierten den von der Laurentiusgemeinde zur Verfügung gestellten Raum zu günstigen Konditionen, die Firma REWE lieferte Regalsysteme und weitere Grundausstattung und will in Zukunft regelmäßig Lebensmittel bereitstellen. Auch örtliche Geschäftsleute und die Händler des Wochenmarktes werden Lebensmittel abgeben.
Am schönsten waren für die Initiatoren die konkrete Hilfe und die Geldspenden, die sie spontan von Einzelpersonen bekamen. Es fanden sich rund 50 Helfer, die in Zukunft die Waren einräumen, die Kunden bedienen und Berechtigungsscheine ausstellen.
Weitere Helfer sind willkommen. Sonja Huth dankte in ihrer Rede Organisationen, Handwerkern, der katholische Kirchengemeinde und Einzelpersonen für ihre Unterstützung. Besonders hob sie die Arbeit der BIWU (Beschäftigungsinitiative Wiesloch und Umgebung) und die des Organisationsleiters Volker Scheerer hervor, ohne die das Projekt nicht in der kurzen Zeit von vier Monaten realisiert worden wäre.
Die große Akzeptanz, die die „Tafel“ in Wiesloch erfährt, zeigte sich auch im regen Besuch beim Eröffnungsempfang. Die Zufriedenheit mit der Einrichtung kam auch in den Grußworten zur Sprache. Oberbürgermeister Franz Schaidhammer, stolz auf die Leistung seiner Wieslocher, dankte dem Verein für seinen Einsatz. Michael Sieber, Vorsitzender der Bürgerstiftung, erklärte: „Wir betrachten uns als Partner der Wieslocher Tafel, gemeinsam wollen wir sozialen Frieden schaffen.“ Pfarrer Enz wünschte alles Gute, segnete den Raum und übergab eine Spende zur Deckung der ersten Miete.
Info: Öffnungszeiten des Wieslocher Tafelladens: dienstags, 10 bis 13 Uhr, freitags, 14 bis 17 Uhr. Auskunft: Telefon 0 62 22/38 11 11, Berechtigungsscheine werden im Tafelladen ausgestellt.