Am 22.10.2020 jährt sich zum 80. Mal die Deportation der Wieslocher Juden in das Konzentrationslager im französischen Gurs. Die Stadt Wiesloch wollte dieses dunklen Moments unserer Geschichte in einer Veranstaltung im Palatin gedenken, musste diese aufgrund von Corona jedoch kurzfristig absagen.
Die Stolperstein Initiative Wiesloch, das Bündnis für Demokratie & Toleranz und die Bürgerstiftung Wiesloch, nehmen diesen Jahrestag zum Anlass, den „Berches“, das Festtagsbrot der Juden, gegen eine Spende anzubieten und so daran zu erinnern, dass es auch Zeiten gab, in denen Juden und Christen ganz selbstverständlich mit- und nebeneinander wohnten und lebten.
Die Brote werden am 22.10.2020 von 10 bis 13 Uhr auf dem Platz vor der evangelischen Stadtkirche angeboten.
Berches nennen die Juden ihr Brot für den Schabbat. Der Name stammt vom hebräischen Wort Berachot ab, was „Segen“ bzw. „Segensspruch“ bedeutet. Ein international bekannterer Name für das Schabbatbrot ist Challa.
Die klassische Art des Berches besteht aus 12 einzelnen Teigsträngen, welche die 12 Stämme Israels symbolisieren sollen. Je sechs werden zu einem Zopf verflochten. Diese beiden Zöpfe werden aufeinander gesetzt, und durch Andrücken erhält der Berches dann seine Form. Es gibt aber keine Vorschrift dafür, wie der Berches auszusehen hat, manche waren geflochten, manche rund.
Die Zutaten des ursprünglichen Berches sind auf helles Weizenmehl, Hefe, Backmalz, Salz und Wasser beschränkt. Das helle Weizenmehl war früher relativ teuer, zur Ehre des Schabbats wurde aber nur das Beste verwendet. In schlechten Zeiten allerdings wurden manchmal gekochte Kartoffeln zur Streckung des Getreideanteils im Teig verwendet. Ein solches Brot ohne Milch ist „parve“, das heißt, man kann auch Fleisch dazu essen.
Zum Rosch Ha-Schana, dem jüdische Neujahrsfest, wurde und wird ein spezieller Berches gebacken, der Milch und auch Eier enthalten kann. Heute findet man im Internet viele Rezepte, in denen Menschen beschreiben, wie der Berches in ihren Familien gebacken wird.
In ihren Memoiren schreibt die unvergessene Stadträtin und Mitherausgeberin der Wieslocher Woche Lidwina Göpferich davon, wie wichtig in ihrer Jugend Brot als Nahrungsmittel für die Familie war. Sie erinnert sich an den Berches als ein leckeres Brot, das es zu besonderen Anlässen gab.
In Orten mit größeren jüdischen Gemeinden gab es Berches freitags und samstags zu kaufen, und sie wurden von Juden und Christen gleichermaßen geschätzt.
Die Erinnerung an die leckeren Berches ist nicht überall verloren gegangen. Ortsvorsteher Karl-Heinz Markmann erinnert sich zum Beispiel, dass nach dem Krieg ein Bäcker in Baiertal eine mit Haselnüssen bestreute Sorte gebacken hat.
Wir bieten einen Berches an, den die Bäckerei Leyer in Malschenberg backt. Seit 1878 wird hier in der 5. Generation das Wissen um das Backhandwerk gepflegt. Der Teig enthält einen kleinen Anteil Milch.
Bei der Bäckerei Leyer kann man ein Berchesbrot jeweils zum Wochenende bestellen.
Die Backstube befindet sich in der Apolloniastraße 3 in Rauenberg-Malschenberg (Telefon 07253 – 21984, E-Mail: info@bäcker-leyer.de, Homepage www.bäcker-leyer.de).
Wie mit den Stolpersteinen, die sich nicht an einem zentralen Ort sondern vor den ehemaligen Wohnungen der Opfer befinden, wollen wir mit unserem Angebot der Berches mitten in der Stadt zum 80. Jahrestag der Deportation der Wieslocher Juden nach Gurs dokumentieren, dass Juden und Christen früher ganz selbstverständlich mit- und nebeneinander wohnten und lebten.
Wenn Sie mehr über die Stolperstein-Initiative in Wiesloch wissen möchten, schauen Sie auf die Homepage der Stadt (Jüdisches Leben in Wiesloch) oder sprechen Sie die Leiterin der Initiative Patricia Hillier an (Telefon 07253 – 23385).