Der blaue Planet verträgt nicht mehr viel

Dr. Joachim Nitsch hielt bei der Bürgerstiftung ein eindringliches Plädoyer für die Energiewende

Rhein-Neckar-Zeitung, 29.09.2011
Wiesloch. (hds) „Notwendig, alternativlos und machbar – jetzt geht es um das mentale Wachrütteln und um Aufklärung in Sachen erneuerbare Energien.“ Dr. Joachim Nitsch aus Stuttgart referierte im Alten Rathaus im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Nachhaltigkeit“ der Bürgerstiftung Wiesloch zum Thema „Wege in eine nachhaltige Energieversorgung“.

Dr. Joachim Nitsch
Begrüßt wurde der kompetente Gast aus der Landeshauptstadt auch von OB Franz Schaid­hammer. Dr. Nitsch ist Mitautor der „Langfrist­szenarien und Strategien für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland – Leitstudie 2010“, erstellt im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Von 1976 bis Ende 2005 war er Leiter der Abteilung System­analyse und Technikbewertung am Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

Zahlreiche Besucher hatten sich im Bürgersaal eingefunden und erlebten eine verständliche Zusammenfassung der derzeitigen Klima­situation, einen Ausblick in die Zukunft, aber vor allem die eindringliche Warnung, dass man nicht mehr so sorglos mit Energie umgehen kann und darf wie in der Vergangenheit. „Unserem blauen Planeten setzt die derzeitige Energiegewinnung mächtig zu“, betonte denn auch Dr. Nitsch. Den sprunghaften CO2-Anstieg und den damit verbundenen Klimawandel gelte es zu stoppen.
Nitsch nannte dazu dramatische Zahlen: In den Industriestaaten verbrauchen wir heute pro Kopf das 20-fache an Energie wie 1870. Da die Ressourcen, vor allem Öl und Gas, endlich sind und diese vor allem im negativen Sinne dafür sorgen, dass das Klima immer mehr aus dem Gleichgewicht gerät, ist ein Umschwenken auf erneuerbare Energien unumgänglich.
Ein erster, notwendiger Schritt ist nach Nitschs Worten der nunmehr festgelegte Ausstieg aus der Atomenergie. „Wir müssen nicht nur Klimaschutzkriterien in unseren zukünftigen Überlegungen einbeziehen, sondern auch Risikofaktoren. Und die Atomkraft, das haben vor allem jetzt wieder die Ereignisse in Japan gezeigt, ist eben ein solches Risiko, mit dem wir nicht länger leben wollen.“
Nitsch verwies darauf, dass natürlich erneuerbare Energien für alle zugänglich und letztendlich auch auf lange Sicht bezahlbar sein müssen. Auch die Versorgungs­sicherheit spiele dabei eine entscheidende Rolle.

Von der technischen Seite her sei heute bereits sehr viel möglich. Vor allem in Deutschland als einem der führenden Industriestaaten nehme Umwelttechnologie einen immer höheren Stellenwert ein. Sonnenkollektoren, Windkraftanalgen, Biogasanlagen für Strom- und Wärmeerzeugung und vieles mehr. „Ich kann es nicht mehr hören, wenn bei erneuerbaren Energien immer wieder nur von den Kosten gesprochen wird“, meinte Nitsch. Man müsse vielmehr die immensen Investitionen, neue Arbeitsplätze und auch den Technologievorsprung sehen.

Das Leitszenario 2009 der Bundesregierung sieht vor, bis 2050 den Energie­verbrauch um 50 Prozent zu reduzieren. Nitsch sieht dies als durchaus machbar an und lobte in diesem Zusammenhang auch das Engagement der Bürgerstiftung, auf lokaler Ebene mit verschiedenen Projekten sich des Themas Klimaschutz zu widmen. Gleiches gelte auch für die Kommunen, da künftig kleinere Einheiten individuell mit unterschiedlichsten Energien versorgt werden könnten. BeimBlick auf Baden-Württemberg in seiner Gesamtheit ist Dr. Nitsch zufolge noch viel Nachholbedarf vor allem bei Windkraftanlagen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hinke das „Ländle“ noch kräftig hinterher, dies gelte es in den kommenden Jahren aufzuholen.
Dies geht allerdings nicht über Nacht und auch die Risiken bei erneuerbaren Energien dürften nicht unter den Tisch gekehrt werden „Wir werden nicht immer eine gleichbleibende Versorgungssicherheit haben können“, meinte Nitsch und verwies auf die Schwankungen bei WindstärkenundSonnenintensität.Aber: Daran gelte es vor allem auf der technologischen Seite zu arbeiten, Speicherkapazitäten müssten geschaffen werden, eine intelligente Netzwerkstruktur und vor allem – als Zukunftsmusik – ein europäischer Versorgungsverbund bei erneuerbaren Energien müssten entstehen. „Fakt ist: Es wird eine spannende Zukunft. Wir müssen dabei nicht nur an uns, sondern vor allem an unsere Kinder und Enkel denken. Erneuerbare Energien sind ein Hoffnungsträger. Wir müssen sicherlich noch einige Widerstände ausräumen, uns technologisch weiterentwickeln, aber ich sehe mehr Chancen als Probleme“, schloss Dr. Nitsch seinen Vortrag.

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