„Es gab einmal eine Zeit, da waren die Raben bunt. Geradezu kunterbunt.“ So begann die Geschichte, die den Kinder-Workshop eines Leseclubnachmittags Mitte November einleitete. Das Thema lautete „Ich bin Ich und Du bist Du und das ist gut so.“ Eine Referentin der Stiftung Lesen, die den Workshop ermöglichte, gestaltete den Nachmittag mit den Kindern und machte ihn zu einem besonderen Erlebnis.
Zunächst ging es darum, uns mit uns selbst, mit unserer Gruppe und unseren Mitmenschen zu beschäftigen: Sind wir alle gleich? Und wenn nicht, ist das schlimm? Muss ich mich ändern? Oder die Anderen? In Anbetracht der aktuellen Weltlage ist dieses Thema wichtiger denn je.
Ausgangspunkt war die Geschichte der bunten Raben: Die waren in ihrer Vielfalt schön und zufrieden und wurden von den anderen Tieren bewundert. Aber dann fragte ein missmutiger Schneemann, welche Farbe für die Raben eigentlich die richtige sei. „Wie muss ein wirklich echter Rabe aussehen?“ Heftige Diskussionen entbrannten, gleichfarbige Raben taten sich zusammen und grenzten andersfarbige aus. Jede Gruppe empfand sich als die einzig wahre. Überall stritten, kämpften und bekriegten sich Rabenschwärme. Dann kam der schwarze Regen. Als er aufhörte, waren alle Raben schwarz – sie waren so gleich, dass es schwerfiel, sich selbst von den anderen zu unterscheiden.
Die Kinder folgten gebannt der Kamishibai-Geschichte (Erzähltheater auf Bildkarten), die mitreißend von der Referentin Claudia Dohlich erzählt wurde. Sie ließ den Kindern viel Raum für Kommentare, und die fielen deutlich aus: Einheitsbrei ist nicht schön, Vielfalt ist gut und wichtig, jeder soll so sein, wie er will. Anderssein ist nicht grundsätzlich schlecht , man kann und muss das akzeptieren. Man soll und darf sagen: „Ich bin genau so, wie ich bin, richtig.“ Die Kinder hatten auch ganz konkrete Vorschläge, wie die Raben hätten anders auf den stänkernden Schneemann reagieren und all die Kämpfe verhindern können.
Das Thema hätte nicht aktueller sein können in der heutigen Zeit. Die anwesenden Betreuerinnen fühlten sich bestätigt in ihrem bisherigen Bestreben, diesen Aspekt sozialen Zusammenseins in den Clubstunden konsequent zu vermitteln.
Nach so viel geistiger Anstrengung war eine Pause dringend nötig. Die Betreuerinnen verwöhnten die Clubkinder mit vielen unterschiedlichen Leckereien, die Gespräche kreisten um Lebensmittel, Vorlieben und allerlei Privates. Lockerer, geselliger Austausch ist im Leseclub immer wichtig.
Frisch gestärkt ging es dann in den zweiten Teil des Workshops. Mit Hilfe eines sogenannten Geschichtenbaukastens entwickelten die Kinder gemeinsam eine Geschichte. Die Betreuerinnen beobachteten gespannt, wie sich die Kinder gegenseitig anspornten – und durchaus auch zu übertrumpfen versuchten. Doch die Referentin fing sie immer wieder behutsam aber bestimmt ein. Das gefährliche, gruselige Abenteuer des Mädchens mit den magischen Kräften und ihrem Mäusefreund Freddie kam zu einem glücklichen Ende. Zum Schluss gestalteten die Kinder ihre Geschichte auf Bildkarten selbst und nutzten ausgiebig das vielfältige Bastelmaterial.
Weil jedes Theater, auch das eigene Papiertheater, unbedingt vor Publikum präsentiert werden muss, heißt es demnächst bei der „Offenen Leseclubstunde“ für Eltern und Geschwister „Vorhang auf für ‚Das magische Mädchen‘!“.